Schon seit mehreren Jahrzehnten wandelt sich die Wirtschaft in Deutschland von der reinen Produktherstellung hin zu mehr Dienstleistungen. Die zunehmende Wichtigkeit dieser Service-Ökonomie ist damit keine Neuigkeit. Viele deutsche Branchen, vor allem die wichtige Maschinenbaubranche, haben ihr Servicegeschäfte über Jahre hinweg ausgebaut, um den Umsatz, über die reine Produktion hinaus, zu steigern. Eine neue Herausforderung und damit viel Potential im Servicegeschäft hat sich in den letzten Jahren durch die zunehmende Digitalisierung für die Industrie ergeben.
Neben klassischen Services wie Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen sind heutzutage datengetriebene Mehrwertdienste oder Dienstleistungen (engl. Data-driven Services), die ein physikalisches Produkt um smarte Funktionalitäten ergänzen oder sogar das Portfolio um einen reinen digitalen Service erweitern. Ein bekanntes Beispiel liefert hier Tesla mit der Möglichkeit, je nach Connectivity-Paket das eigene Auto um intelligente Funktionen und Services zu erweitern. Der Groß- und Industrieküchengerätehersteller Rational AG bietet neben den reinen Küchengeräten auch die Anwendung ConnectedCooking Pro für das Asset-, Hygiene- und Rezept-Management an und liefert damit den eigenen Kunden eine Lösung über die eigentlichen physikalischen Produkte hinaus.
Um den Wandel hin zur digitalen Service-Ökonomie optimal zu unterstützen haben wir ein neues Workshop-Format entwickelt, das den spezifischen Besonderheiten von Data-driven Services Rechnung trägt und mit dem wir (und unsere Kund:innen) systematisch zu Ideen für innovative Services kommen. Den Ablauf dieses Data-driven Services Workshops beschreibe ich in diesem Artikel.
Die Wirtschaftspresse hat das Thema Digital Transformation und dessen Wichtigkeit für die Wirtschaft schon lange für sich entdeckt. Auch die europäische Kommission bewertet schon seit 2016 jedes Jahr den Fortschritt der Integration Digitaler Technologien bei europäischen Firmen als Bestandteil des Digital Economy and Society Index (DESI) Reports und sieht in Europa, besonders in Deutschland, noch starken Nachholbedarf. Gerade im Bereich digitale Geschäftsmodelle, wo es um die Etablierung von innovativen datengetriebenen Dienstleistungen und Angebote – Data-driven Services – geht, tun sich viele traditionellen Firmen nachweislich schwer.
In meinem über zehnjährigen Berufsleben als Data Scientist habe ich viele Herausforderungen und Schwierigkeiten in diesem Kontext am eigenen Leib erfahren. Über die Zeit konnte ich viele Schlüsselfaktoren identifizieren, welche die Erfolgswahrscheinlichkeit stark erhöhen, Data-driven Services innerhalb eines Unternehmens zu etablieren. Genauso wichtig wie bei jedem anderen Produkt ist die Tatsache, dass ein Data-driven Service ein spezifisches Problem des Kunden löst und einen messbaren Mehrwert liefert. In der Praxis geläufig sind aber häufig isolierte Teams aus Data Scientists und Analysten, die wenig in die Entwicklung des digitalen Geschäftsmodells und auch der vorhandenen Prozesse mit einbezogen werden. Dies führt häufig zu Prototypen, die sich nach Monaten der Entwicklung entweder als nicht geschäftsrelevant oder schwer in bestehende Prozesse und IT-Landschaft integrierbar herausstellen.
Es kommt auf die Nutzer:innen an!
Deshalb begann ich mich, neben meiner Tätigkeit als Data Scientist, für Lean Product Discovery zu interessieren. Denn bei all der Begeisterung für neue Technologien und Data Science sollte man niemals vergessen, dass immer noch der/die Kund:in entscheidet, ob er/sie ein Produkt oder eine Dienstleitung kauft oder nicht. Heute bin ich der Überzeugung, dass die Konzeptionierung und Entwicklung eines Data-driven Service mit Methodiken der Product Discovery, angepasst an die Besonderheiten beim Umgang mit Daten und Künstlicher Intelligenz (Maschinelles Lernen, Data Science, etc.), am Besten geeignet ist. Damit wir Services entwickeln, die einen Nutzen für Kund:innen stiften und dabei die Möglichkeiten von Daten und Künstlicher Intelligenz optimal einsetzen, haben wir den Data-driven Services Discovery Workshop entwickelt.
Einen exemplarischen Eindruck unseres Data-driven Services Workshop möchte ich im Laufenden vermitteln. Dies geschieht am Beispiel der Ergebnisse eines solchen Workshops, den wir für unsere Konsortialpartner des BMWK-geförderten Service-Meister-Projekts durchgeführt haben. Das Ziel des Service-Meister-Projekts ist die Entwicklung eines KI-basierten Serviceökosystems für technischen Service im Zeitalter von Industrie 4.0.
Die Teilnehmenden
Wir haben gute Erfahrungen mit gemischten Gruppen gemacht, in denen die Teilnehmer:innen sich thematisch ergänzen. Daher haben wir die Gruppen so zusammengestellt, dass sich in jeder Gruppe sowohl Data Scientists als auch Produktmanager und Domänenexperten befanden.
Aufgabe
Neue Services entstehen oft im Kontext einer bestehenden Kundenbeziehung oder eines bestehenden Produkts. Damit sich die Workshop-Teilnehmer:innen im ersten Schritt auf die neuen Methoden konzentrieren können, bringen wir (vereinfachte) Beispiele aus unseren Kundenprojekten (z. B. Recommender für mobile.de) und aus unserer Produktentwicklung mit. Wir können damit ein realistisches Setup garantieren und auf fachliche Rückfragen antworten, ohne dass ein:e Teilnehmer:in einen Wissensvorsprung hat. Im zweiten Teil des Workshops wenden wir die Methoden auf die spezifischen Produkte der Teilnehmer:innen an.
Mit dem Kunden beginnen
Im ersten Schritt konzentrieren wir uns auf einen Kunden/eine Kundin und dessen/deren Aufgaben („Jobs“).
Im Mittelpunkt stehen zwei Fragen: In welchem Kontext wird das Produkt benutzt und welches Ziel soll erreicht werden? Dabei kommt es darauf an, nicht nur die unmittelbaren Aufgaben, sondern auch das erweiterte Umfeld zu betrachten.
Schaut man sich beispielsweise das Umfeld des Produkts Turnschuh an, dann ist auch die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen den Laufsport relevant, nicht nur die Streckenauswahl. Im Folgenden werde ich dieses Beispiel weiter verfeinern.
Wir orientieren uns bei dieser Analyse an Methoden aus dem Design Sprint und dem Jobs to be done Framework.
Wo ist das Problem – und können Daten es lösen?
Als Nächstes suchen wir nach einer Herausforderung, die Nutzer:innen des Produkts überwinden möchten. Mit Daten lassen sich bekanntlich nicht alle Probleme lösen, deshalb gehen wir in dieser Phase sehr spezifisch vor. Wir analysieren, welche Entscheidungen in jedem Schritt getroffen werden und was im besten und schlechtesten Fall dabei herauskommen könnte. Dies führt uns zu einer konkreten Problemstellung, die durch einen Data-driven Service gelöst werden kann. Als Läufer werde ich zum Beispiel durch die Streckenauswahl motiviert oder demotiviert. Informationen sind dazu geeignet, die Auswahl der Strecke positiv zu beeinflussen. Dienste wie strava.com haben dieses Informationsbedürfnis aufgegriffen und bieten entsprechende Lösungen an.
Problem Solution Fit: Wie könnte ein Data-driven Service aussehen?
Mit einer konkreten Fragestellung fällt es deutlich leichter, auf Ideen für einen Service zu kommen. Diesen kreativen Teil des Workshops unterstützen wir durch Inspirationen und Beispiele von Data-driven Services. Des Weiteren geben wir verschiedene Hinweise, in welche Richtung eine Value Proposition eines Services gehen kann.
Methodisch kombinieren wir die Kreativität, die sich entfaltet, wenn man alleine unter Zeitdruck auf Ideen kommen soll, mit einer anschließenden Konsolidierung der Ideen in der Gruppe. Entscheidend ist dabei, dass wir den datengetriebenen Service aus der Sicht der Nutzer:innen denken. Daher können wir uns auf die Visualisierung und die Integration des Services in die spezifische Situation der Nutzer:innen konzentrieren. Die Ergebnisse dieser Kreativitätsübung können später in direktem Kontakt mit dem Nutzer:innen erprobt werden. Die technische Machbarkeit und die Algorithmik stehen erst zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Programm.
Machbarkeit
In der Regel ergeben sich aus der Kreativitätsübung verschiedene Lösungsoptionen, die manchmal auch miteinander kombiniert werden können. Damit der Einstieg in die Entwicklung eines Datenprodukts leichter fällt, überprüfen wir noch, welche Daten, die für den Service benötigt werden, heute schon verfügbar sind. Quellen können dabei interner und externer Natur sein. Weiterhin überprüfen wir, ob diese Daten bereits in einer Form vorliegen, die es erlaubt, sie in das Produkt einfließen zu lassen. Diese Bewertung hilft dabei, eine Priorisierung der unterschiedlichen Ideen vorzunehmen und Anforderungen an die eigene Systemlandschaft zu formulieren.
Ein USP für einen Data-driven Service
Den Mehrwert für den Kunden/die Kundin haben wir an dieser Stelle des Trainings ausreichend analysiert. Als Anbieter des Dienstes können wir einen weiteren Mehrwert aus der Servicenutzung des Kunden ziehen. In dieser Übung versuchen wir, einen Feedback Loop in die Servicenutzung einzubauen. Dieser dient dazu, Daten für unseren Algorithmus zu erzeugen, um dessen Qualität zu verbessern und neue Dienste anbieten zu können.
Der Abschluss: Lean Canvas
Wir konsolidieren die einzelnen Ergebnisse des Tages im Format des Lean Canvas. So sieht man das identifizierte Problem, die Lösung, die Value Proposition, die Kosten- und die Umsatzstruktur auf einen Blick und kann die eigene Idee noch einmal ganzheitlich bewerten.
Wir wollen verändern
Wenn Sie dieser Bericht neugierig gemacht hat, dann sprechen Sie uns gern an. Wir bieten Ihnen einen individuellen Data-driven Services Workshop an, den wir gezielt auf Ihre Branche, auf Ihr Unternehmen und auf Ihre Datensituation zuschneiden. Nutzen Sie Ihre Daten als Grundlage für neue Services, die Ihre Kunden glücklich machen und Ihre digitalen Geschäftsmodelle weiter etablieren. Wir sind dafür der richtige Partner und können Sie von der Ideenentwicklung bis zur Produktivierung eines Data-driven Services ganzheitlich begleiten.