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Dieser Blogartikel ist älter als 5 Jahre – die genannten Inhalte sind eventuell überholt.
Der Erfolg hat viele Väter. Der Misserfolg ist ein Waisenkind. Wenn ein spezifischer Firmenname zur generischen Beschreibung einer Tätigkeit wird – “to uber to“ bedeutet mittlerweile, sich von einem Uber-Unternehmer von A nach B bringen zu lassen – kann man ohne Zweifel von einem erfolgreichen Unternehmen sprechen.
Ein Blick in die Zukunft mit den Methoden des Datenprodukt- Managements
Wir wollen uns in diesem Artikel Uber rein aus der Daten-Perspektive anschauen. Die in letzter Zeit (zurecht) in die Schlagzeilen geratene Firmenpolitik und -kultur spielen in dieser Betrachtung keine Rolle und werden daher außen vor gelassen. Insbesondere wollen wir unsere Analyse-Methoden auf die Frage hin prüfen, ob wir damit zukünftige strategische Entscheidungen von Uber vorhersagen können.
In vorangegangenen Artikeln, wie “Datenprodukte erklärt“ und “Datenproduktmanagement – ein Konzept auf Basis des klassischen Produktmanagements“, haben wir Erfolgsfaktoren und Methoden zur Beschreibung und Analyse von Datenprodukten vorgestellt. In diesem Artikel wenden wir diese Methoden exemplarisch auf das Geschäftsmodell von Uber an – quasi als “Datenprodukt-Fallstudie“.
Hintergrund: Was macht Uber?
Der globale Trend der “Sharing Economy“, also die Ökonomie des Tauschens und Teilens, hat seit einigen Jahren auch im Taxi-Geschäft Einzug erhalten. Uber hat im Marktsegment der Beförderung neue Maßstäbe gesetzt. Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Wertversprechen von Uber kaum von konventionellen Taxi-Unternehmen. Auch Uber befördert Gäste von A nach B. Die Haupteinnahmequelle ist ein prozentualer Anteil vom Preis, den der Fahrgast für die Fahrt bezahlt (basierend auf dem Preis pro gefahrenen Kilometern).
Die Unterschiede sind eine Etage tiefer, nämlich im Geschäftsmodell verankert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Taxi-Unternehmen besitzt Uber weder eine eigene Taxi-Flotte noch werden eigene Fahrer beschäftigt. Ubers Schlüsselressource ist die digitale Plattform, die dem Service zugrunde liegt. Über diese Plattform werden die Geschäftsbeziehungen zwischen Ubers Services und ihren Nutzern (Fahrern und Fahrgästen) modelliert und gesteuert.
Erfolgsfaktor: Uber-Plattform
Die Uber-Plattform fungiert als Market Maker für Taxi-Fahrten. Basierend auf der aktuellen Anzahl der verfügbaren Fahrer sowie den Anfragen von Fahrgästen wird über einen Algorithmus bei einer hohen Nachfrage in einer bestimmten Region automatisch auch der Preis pro Kilometer erhöht. So kann Uber direkt Einfluss auf Angebot und Nachfrage nehmen und eventuellen Engpässen entgegenwirken. Gleichzeitig besitzt Uber durch diese Plattform eine hohe Flexibilität und kann viel leichter seine Services auf weitere Städte ausweiten, da nicht erst ein lokaler Fuhrpark angeschafft werden muss und auch der Personalaufwand gegenüber herkömmlichen Taxi-Unternehmen wesentlich geringer ausfällt.
Ein weiterer wichtiger Unterschied ist die internationale Aufstellung von Uber. In allen Städten, in denen Uber verfügbar ist, können die Services über die App genutzt werden. Die Suche nach der Telefonnummer eines lokalen Taxi-Anbieters oder die Frage nach den akzeptierten Zahlungsmitteln entfällt – und die Servicequalität ist bekannt.*
Uber: Ein Datenprodukt
Damit wir Uber aus Sicht der Daten besser verstehen, beschreiben wir das Uber-Geschäftsmodell zunächst mit Hilfe einiger Analysemethoden aus dem Datenprodukt-Management. Wir konzentrieren uns dabei auf
- die Analyse von Customer Jobs und Information Values
- die Analyse der Data Value Proposition
- und die Umkehrung der Value Proposition Canvas.
Aus der Analyse folgt jeweils ein Gap, der es uns erlaubt, Vermutungen über die zukünftigen Angebote von Uber abzuleiten.
Analyse von Customer Jobs und Information Values
Informationen dienen (unter anderem) dazu, Entscheidungen zu treffen. Eine Information ist umso wertvoller, je besser sie hilft, kostspielige Folgen einer schlechten Entscheidung abzuwenden und stattdessen eine wertvollere Entscheidungsoption auszuwählen. Der Überblick der Customer Jobs beim Taxifahren macht das deutlich.
Beispielhaft sind hier die Customer Jobs des Fahrers aufgeführt. Eine ähnliche Beschreibung lässt sich auch für den Reisenden notieren.
In jedem einzelnen Job-Schritt müssen Entscheidungen getroffen werden. Je nachdem, für welche Route, welchen Gast oder Standort sich der Fahrer entscheidet, kann der nächste Gast entweder weit weg sein oder der Kunde sagt ab oder es tritt eine Störung ein, wie etwa ein Unfall. Informationen können dem Fahrer dabei helfen, bessere Entscheidungen zu treffen. Wenn der Fahrer weiß, wo der nächste Kunde zu erwarten ist, kann er in dessen Nähe warten. Wenn der Fahrer weiß, wo der Kunde hin will, kennt er seinen Umsatz im Vorfeld. Und wenn der Fahrer weiß, was dem Kunden gefällt, z. B. ein Gespräch über ein gemeinsames Hobby, kann der Fahrer sein Trinkgeld steigern.
Durch das nachfragebasierte Preismodell hilft Uber dem Fahrer zu entscheiden, wann es sich zu arbeiten lohnt. Der Fahrer erhält Informationen darüber, wo gerade viel los ist. Die beiderseitige Bewertung der Fahrt durch den Kunden und den Fahrer erlaubt es, “Schwarze Schafe“ auf beiden Seiten zu identifizieren und hilft damit, Schritt 4 zu unterstützen. Durch die Routenhinweise während der Fahrt kann Uber dabei helfen, Gefahrenstellen oder Staus im Straßenverkehr zu vermeiden. Es stellt sich heraus, dass Uber dem Fahrer rein aus der Informationssicht schon viele Mehrwerte bietet. Insbesondere beim letzten Schritt könnte Uber aber noch mehr Informationen bereitstellen.
Analyse der Data Value Proposition
Soziale Interaktion und Entertainment
Die Unterstützung bei Customer Jobs ist der zentrale Punkt für die Definition der Value Proposition. Außer zur Entscheidungsunterstützung dienen Daten allerdings auch noch anderen Zwecken. So können Daten auch dazu genutzt werden, menschliche Grundbedürfnisse wie soziale Interaktion, Neugierde oder Entertainment zu bedienen. Ein Blick auf Uber aus dieser Perspektive zeigt, dass die Marke eine Reihe von Features aus diesem “weichen“ Kontext bereits dazu nutzt, um die Fahrer zu motivieren, noch länger zu arbeiten. Uber nutzt Erkenntnisse der Verhaltensökonomie, damit der Fahrer in bestimmten Regionen seine Dienste anbietet oder noch eine Fahrt mehr absolviert. Wir vermuten, dass Uber in Zukunft diese Mechanismen auch auf die Kunden ausweitet. Vorstellbare Angebote wären “Fahrten der Freunde“, “Zielorte von Freunden“, “Beliebte Plätze“, “Virtuelle gemeinsame Fahrt“ oder ähnliche Angebote. Im Bereich des Entertainments während der Fahrt werden zur Zeit Dienste entwickelt. Diese Features aus dem Bereich der Interaktion können dazu genutzt werden, die Kundenbindung auf emotionaler Ebene weiter zu festigen.
Master- und Transaktionsdaten von Uber
Eine weitere hilfreiche Methode zur Analyse von Datenprodukten ist der Blick auf den Umgang mit Master- und Transaktionsdaten. Wie hoch ist die Qualität der Masterdaten, also die Beschreibung der Kernobjekte einer Domäne? Im Fall von Uber sind das Fahrer, Auto, Fahrgast/-objekt oder Ort. Und wie gut werden Transaktionsdaten – also die Daten, die während der Fahrt entstehen – dazu genutzt, Aussagen über die Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft zu treffen? Von außen sieht es so aus, als habe Uber das Datenmanagement gut im Griff. Die Fahrten werden bewertet, die Fahrtrouten und die Dauer der Fahrt fließen in die Berechnungen der Verkehrssituation ein. Insbesondere der Blick in die Zukunft scheint jetzt in den Fokus zu rücken. Also Vorhersagen bezüglich Fragen wie “Wo erwarten wir den nächsten Kunden?“ und “Wo wird der Kunde hinfahren?“. Es ist uns nicht bekannt, ob Uber aktuell die Smartphone-Sensordaten wie z. B Beschleunigungswerte nutzt, um etwas über den Gemütszustand des Fahrers oder des Autos abzuleiten – also die Gegenwart. Wir können aber erkennen, dass die Systematik hilfreich ist, um Datenprodukte zu kategorisieren.
Umkehrung der Value Proposition Canvas
Zum Schluss möchte ich noch darauf eingehen, ob und wie Uber die Transaktionsdaten der Fahrer und Kunden verwendet, um den eigenen Dienst zu verbessern. Als Analyse-Werkzeug drehen wir dazu die bekannte Value Proposition Canvas um und versetzen das Unternehmen in die Rolle des Kunden. Die Nutzung des Produkts wird dabei zum neuen Produkt. Dieses Verfahren erlaubt Rückschlüsse darüber, wie die Produktnutzung zur Optimierung des ursprünglichen Produktes verwendet werden kann.
Zu den Aufgaben von Uber gehört u. a.
- das Angebot und Nachfrage an Fahrern/Fahrten zu optimieren
- ein effizienteres Routing durch den Verkehr zu unterstützen
- und (evtl.) den Fahrer über den Fahrgast zu informieren.
Der klassische Uber-Verwender generiert durch die Produktnutzung zum Beispiel Fahrtverlaufsdaten, Daten über den Zielort sowie Daten über die Bewertung der Fahrer. Diese können in Form eines Feedback Loop weiterverwendet werden. Uber kann so die eigenen Pains adressieren, wie z. B. unfreundliche Fahrer oder die Fehlallokation von Angebot und Nachfrage. Vor allem im Bereich der Gain Creators scheint Uber aktuell noch Nachholbedarf zu haben.
Data Value Matrix
Die Ideen für die Verwendung der Daten aus der Produktnutzung lassen sich mit Hilfe der Data Value Matrix systematisch darstellen. Wir können sehen, dass Uber insbesondere im Bereich der Aggregation der Nutzungsdaten heute bereits Datenprodukte anbietet: die Bewertung der Fahrer, aber auch die Initiative “Uber Movement“** deuten in diese Richtung. Im Bereich der Datenprodukte, die auf Lernverfahren basieren, sehen wir in dieser Auswertung noch Potentiale. Insbesondere über die Nutzung der gewonnen Daten für andere Dienste ist wenig bekannt. Zum Beispiel könnte UBER Daten für einen Stadt-Aktivitätsindex liefern, ähnlich dem Dienst von Avuxi.
What’s next?
Betrachtet man Ubers Services von außen, gewinnt man durch die Anwendung unserer Methoden aus dem Datenprodukt-Managements ein tieferes Verständnis für die Funktionsweise. Lässt sich das aktuelle Zusammenspiel von Datenprodukt und Umwelt noch relativ leicht erläutern, ist vor allem die zukünftige Entwicklung eines solchen Services spannend.
Wir gehen davon aus, dass Uber den Fahrer zukünftig durch noch eine bessere Assistenz bei der Optimierung seiner Fahrbewegungen ohne Fahrgast unterstützen wird, damit dieser seine Leerzeiten reduzieren kann (“Dead Time“***). Weiterhin nehmen wir an, dass Uber spezifische Funktionalitäten zur Verbesserung der sozialen Interaktion zwischen den Nutzern ergänzen wird, um die emotionale Bindung mit dem Dienst zu erhöhen, vielleicht auch durch Partnerschaften. Denkbar wäre etwa eine Funktion zum Teilen seiner Uber-Fahrten und seiner dabei besichtigten Points-of-Interest (POIs) mit seinen Freunden. Die Auswertung der Echtzeitdaten während der Fahrt aus Smartphone-Sensoren hat ebenfalls noch Potenzial (z. B. automatischer Notruf im Falle eines Unfalls). Weitere Möglichkeiten ergeben sich durch die Ausweitung der Transportdienstleistung auf andere Güter (uberX, UBER Delivery etc.). Eine (hier nicht vertiefte) Erweiterung des Geschäftsmodells wird durch die Methoden des Datenprodukt-Managements ebenfalls sichtbar: Fahrräder oder Pakete stellen für die UBER-Plattform schlicht andere Ausprägungen der Datenobjekte “Fahrzeug“ oder “Beförderungsgut“ dar und sollten die Architekten der Plattform vor keine unlösbaren Aufgaben stellen. Beispiele wie “UberEats“ zeigen dieses Potenzial bereits auf.
In welche Richtung sich Uber letztendlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Mögliche Optionen lassen sich durch die angewendeten Methoden aber recht gut abschätzen. Dabei können Lücken identifiziert und systematisch ausgeleuchtet werden. Dadurch erhält man eine solide Grundlage, um Potenziale für neue Datenprodukte zu entdecken und diese nutzbar zu machen. Gerne unterstützen wir euch dabei, z. B. in einem Product Discovery Workshop.
Wie immer interessiert uns natürlich auch eure Meinung zu diesem Thema, und daher freuen wir uns auf eure Kommentare!
* “Das Geschäftsmodell von Uber gibt Gas“, PwC’ Experience Center (07.09.2016)
** Uber Movement, Uber Technologies Inc. (2017)
*** Dead Time: Beschreibt die Dauer, die ein Uber-Fahrer darauf wartet, gerufen zu werden und einen Fahrgast abzuholen. In dieser Zeit generiert der Fahrer Daten, die Uber nutzt, erhält jedoch währenddessen keine Entlohnung.