Die unzähligen Fußballfans während der Europameisterschaft in Deutschland bringen nicht nur gute Stimmung, sondern auch eine Menge Arbeit ins Land. Veranstaltungen dieser Größenordnung werden jahrelang geplant und rufen alle möglichen Organisationen auf den Plan, welche für einen geregelten Spielablauf im Stadion, den friedlichen Feiern auf den Fanmeilen und die Prävention von Katastrophen zuständig sind. Auch außerhalb einer Fußballmeisterschaft leisten unzählige Ehrenamtliche und Freiwillige ihren Beitrag bei den Feuerwehren, dem THW und Rettungsdienstorganisationen, um die unterschiedlichsten Veranstaltungen abzusichern und der Bevölkerung eine unbeschwerte Zeit zu ermöglichen.
Misson Control Paramedic (MCP) ist eine Verwaltungssoftware für Windows, Linux und Mac mit der Sanitätsdienste papierlos abgewickelt werden können. Die Software ermöglicht das Erstellen von Patient:innendaten, das Verwalten in Lagen und die Organisation des Transportes. Zusätzlich fasst MCP alle Einsatzschritte in einer Dokumentation zusammen.
Während die Absicherung von kleinen Veranstaltungen mit zwei Sanitäter:innen, wie z. B. die Begleitung eines Handballspieles unterer Ligen, normalerweise ohne weitere Organisation zu bewerkstelligen ist, steigt die Komplexität mit der Anzahl der Besucher:innen. Es werden mehr Einsatzkräfte benötigt. Um auch mit diesen Situationen einfach umgehen zu können, entwickelt inovex seit Jahren die „Mission Control Paramedic“ (MCP) Software kontinuierlich aus. Sie bietet Bereitschaften und allen Organisationen, die Personal und Patient:innen verwalten müssen, die Möglichkeit, die Einsatzabwicklung digital, statt auf Papier abzuwickeln.
Die Vorbereitungen
Als Entwickler bei inovex war ich an der Entwicklung von MCP beteiligt und habe zahlreiche Features umgesetzt, die Sie in den neueren Versionen ausprobieren können. Als Rettungsdiensthelfer bin ich regelmäßig an Sanitätsdiensten des Bayerischen Roten Kreuzes beteiligt. Das bietet die optimalen Voraussetzungen, um die eigene Software auf einem solchen Dienst live in Aktion zu sehen und zu bewerten.
Eine passende Veranstaltung war schnell gefunden: Das Hochrisiko 3. Bundesligaspiel zwischen Unterhaching und Dresden mit 11.000 erwarteten Zuschauenden.
Die sanitätsdienstliche Absicherung wurde durch die Bereitschaft Unterhaching gestellt. Wir waren mit insgesamt 29 Personen vor Ort – vom Sanitäter bis zum Notarzt. Viele der Kolleg:innen arbeiten neben dem Ehrenamt in der Bereitschaft, hauptberuflich im Rettungsdienst oder der Feuerwehr. Bei einer Veranstaltung mit dieser Personalstärke, 11.000 erwarteten Gäst:innen und einem hohen Risiko für Konflikte bietet es sich an, die Koordination dieser Kräfte auszulagern – in diesem Fall an den Einsatzleitwagen. Statt eines Wagens gibt es im Fußballstadion von Unterhaching eine kleine Kanzel über dem Stadion mit perfektem Ausblick über das gesamte Stadion.
Normalerweise bin ich als Sanitäter direkt im Kontakt mit den Patient:innen. An diesem Tag durfte ich als Praktikant Bene unterstützen – einem Notfallsanitäter, der seit Jahren bei der Feuerwehr und in der Bereitschaft aktiv ist.
Das Interview
Da sich die Einsatzkräfte immer vor dem eigentlichen Anpfiff bei einem Fußballspiel schon im Stadion befinden, konnte ich diese freien Minuten nutzen und Bene zu MCP befragen:
Sebastian: Hallo Bene, vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst.
Bene: Gerne.
Sebastian: Wir sitzen hier etwas abseits vom Geschehen, mit vielen Funkgeräten und deinem Laptop, auf dem MCP installiert ist. Was genau wird unsere Aufgabe während des Spiels sein?
Bene: Heute findet das Hochrisikospiel zwischen Unterhaching und Dresden in der 3. Liga statt. Wir sind mit ca. 30 Einsatzkräften des Roten Kreuzes vor Ort, um bei medizinischen Problemen Zuschauer:innen oder Spielern helfen zu können. Diese 30 Personen sitzen jedoch nicht alle auf einer Stelle und springen bei einem Einsatz auf und eilen zu Patient:innen. Abhängig von den Situationen werden Trupps alarmiert und zu Patient:innen geschickt. Bei einem so großen Stadion bietet es sich an, dafür eigenes Personal zu beauftragen, dass deren Koordination übernimmt. Das ist unser Job für heute. Deshalb haben wir auch die ganzen Funkgeräte, um mit der Polizei, der Feuerwehr, dem Veranstalter oder unseren eigenen Leuten in Kontakt treten zu können. MCP auf dem Laptop verwende ich, um die Position und vor allem den Status der einzelnen Trupps auf einen Blick einsetzen zu können. Sollte uns ein:e Patient:in gemeldet werden, lege ich diesen an und alarmiere einen Trupp.
Sebastian: Das klingt sehr spannend, genau für diesen Zweck wurde MCP entwickelt. Wie habt ihr bisher Einsatzkräfte verwaltet und im Notfall koordiniert und alarmiert?
Bene: Ganz zu Beginn hatten wir keinen Einsatzleitwagen, also das, was wir heute machen. Die Alarmierung und Verwaltung waren da die Aufgabe der Einsatzleitung. Die hat bei solchen Spielen jedoch schon genug zu tun. Später sind wir auf eine iOS-App umgestiegen, die jedoch in den Funktionen sehr eingeschränkt war und mit einem schlechten Layout sich nicht wirklich geeignet hat.
Sebastian: Seit wann verwendet ihr MCP bei solchen großen Veranstaltungen und wie unterstützt es euch?
Bene: Seit ca. 3 Spielen. MCP ermöglicht es, im Vorfeld Alarme und Einsatzstichwörter zu definieren und dann im Ernstfall über eine Abkürzung abzurufen. Das spart sehr viel Zeit. Die Trupps habe ich mit ihrer jeweiligen Bezeigung auf dem Tableau angelegt und kann jederzeit ihren Status ändern und sie auf der Karte auch bewegen, falls ihr:e Patient:in z. B. an einem anderen Ort ist. Jeder Einsatz mit Patient:in wird bei uns dokumentiert und das Einsatztagebuch ist hier unglaublich wichtig. Oftmals gibt es Rückfragen von der Leitstelle oder dem Veranstalter und wir können dann mit genauen Zeitangaben Rückmeldung geben. Das dient auch zu unserer eigenen Sicherheit und zur Verbesserung unserer Qualität.
Sebastian: Wie lange hat die Einführung von MCP bei euch gedauert und welche Herausforderungen gab es dabei?
Bene: Die Einführung war sehr einfach und nach einem Testspiel hat sich das Ganze fest etabliert. Ich bin von MCP wirklich sehr begeistert. Herausforderungen gab es keine.
Sebastian: Welches Feature verwendet ihr am meisten, genauer gesagt, ist am wertvollsten für eure Arbeit?
Bene: Definitiv das Tableau. Ich sehe alles auf einen Blick, wo sich meine Trupps befinden und wie ihr aktueller Status ist, also ob sie gerade bei Patient:innen sind oder frei sind für einen Einsatz.
Sebastian: Welches Feature würde eure Arbeit noch weiter erleichtern?
Bene: Ich vermisse ein paar Features wie das Importieren von Straßen von Google Maps oder von Fahrzeugen. Das Tableau ist eines der wichtigsten Features; manchmal fehlt mir die Möglichkeit, eine Lagekarte zu hinterlegen und auf diese Bilder oder taktische Zeichen einfügen zu können. Aktuell verwenden wir ein Flipchart, um die Funkrufnamen und Funktionen von Trupps über Farben festzulegen. Es wäre super, wenn MCP das auch könnte und ein Notarzttrupp, z. B. auf der Karte, rot ist.
Sebastian: Würdet ihr MCP auch anderen Sanitätsdiensten empfehlen und wenn ja, warum?
Bene: Definitiv, nach dem Anlegen der Fahrzeuge und Abkürzungen spart es im Einsatz unglaublich viel Zeit. MCP ist genau für solche Veranstaltungen hervorragend. Ich hoffe nur, dass es nicht kostenpflichtig wird.
Sebastian: Da kann ich dich beruhigen, MCP bleibt kostenfrei. Danke dir für deine Zeit.
MCP im Einsatz
Nach diesem Interview war es dann auch schon Zeit für den Anstoß und das Spiel begann. Zwar hat man in der Kanzel eine unglaublich gute Sicht auf das Spiel, jedoch sind wir selten dazu gekommen, das Fußballspiel, als Fans zu verfolgen. Eigentlich war ich zum stillen Beobachten vor Ort und wollte sehen, wie Bene mit der Software umgeht und sie verwendet, jedoch „klingelten“ kurz darauf alle Funkgeräte gleichzeitig und mehrere Patient:innen mussten koordiniert und Ihnen Truppen zugeordnet werden. Bene koordinierte alle ankommenden Anfragen souverän mit dem Handy am einen Ohr, dem Funkgerät in der einen Hand und dem Laptop in der anderen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich auch viel zu tun und war mit dem Einholen von Statusmeldungen und dem Austausch von Informationen zwischen Trupps beschäftigt. Genau für diese stressigen Momente wird die Einsatzkoordination ausgelagert. Von all dem bekommen die Zuschauer:innen und Spieler auf dem Platz nichts mit.
Auch in den hektischsten Zeiten war die Bedienung von MCP intuitiv und ging einwandfrei mit einer Hand. Das wichtigste Ziel von MCP ist, dass sie unterstützen soll und Arbeit abnehmen und Prozesse nicht unnötig verkomplizieren darf. Aus technischer Sicht lief die Software ohne Probleme oder Einschränkungen. Kleinere Stolperer, z. B. mit der Steuerung, sind bereits an das Entwicklerteam weitergegeben.
Im Vorfeld hat Bene die Einsatzmittel, Orte und Einsatzschlagworte vorbereitet und konnte daher schnell auf diese zurückgreifen. Zum Großteil des Fußballspiels war er auf dem Einsatz-Dashboard unterwegs. Auf dem Tableau können neben Einsatzmitteln auch frei benennbare Bereiche angelegt werden. Im Fall des Stadions in Unterhaching ergibt es Sinn, die Fankurven mit der jeweiligen Himmelsrichtung zu benennen, damit immer klar ist, von welcher Seite man auf die Karte schaut. Wichtige zusätzliche Bereiche wie der Parkplatz, auf dem weitere Fahrzeuge parken, bietet zusätzliche Möglichkeiten für einen guten Überblick.
Dann war die offizielle Spielzeit auch schon vorbei und die Einsätze wurden spürbar weniger. MCP hat seine Aufgaben erfüllt und auch in hektischen Momenten gut unterstützt und trotz vieler gleichzeitiger Einsätze sicher funktioniert. Aus Entwicklersicht ist es spannend, wie die eigene Software eingesetzt wird und wie sie weiter verbessert werden kann.
Ich bin gespannt auf die nächsten größeren Einsätze, bei denen MCP zum Einsatz kommt und das Personal unterstützt.