Während uns die Krisen des Jahres 2022 (Putins Angriffskrieg in der Ukraine, Energiekrise, Inflation, Rezension und Coronapandemie) weiterhin treue Begleiter sind, so zeigt sich im Oktober – zu warm in diesem Jahr – der Herbst, das Jahr neigt sich allmählich dem Ende zu und wir machen uns Gedanken, was 2023 wohl bringen wird.
Die großen Tech-Analyse-Häuser haben sich diese Gedanken ebenfalls in diesem Monat gemacht, und die gute Nachricht für uns in der IT-Branche ist, dass sowohl Gartner als auch Forrester mit weiter wachsenden IT-Ausgaben rechnen. Gartner rechnet mit einem 5,1%igen weltweiten Wachstum und einer Sonderentwicklung der IT im Vergleich zu den generellen wirtschaftlichen Aussichten („Gartner’s latest forecast, however, suggested tech spending will run counter to the overall economic trend.“). IT-Systeme seien rezessionssicher („‚At this point, enterprise IT spending is recession-proof,‛ said John-David Lovelock, vice president analyst at Gartner.“), da sie meist zentral für den Umsatz der Unternehmen sind („ … enterprises don’t have the ‚opportunity to cut IT in the way we did back in 2001.‛ … ‚Our spending is different,‛ Lovelock said. ‚IT has gone from back of house to front of house, and often revenue producing.‛“). Daher werde auch verstärkt in die weitere Digitalisierung investiert („Demand for IT in 2023 is expected to be strong as enterprises push forward with digital business initiatives in response to economic turmoil.“).
Auch Forrester rechnet mit steigenden IT-Ausgaben („67 Prozent der weltweiten IT-Chefs, die an der Forrester-Umfrage „Budget Pulse Survey 2022“ teilgenommen haben, rechnen in den nächsten zwölf Monaten demnach mit steigenden Budgets. Ein Viertel erwartet sogar eine Erhöhung um mehr als fünf Prozent.“) und einem verstärkten Einsatz von IT-Technologie („Momentan zeige sich ein ähnliches Verhaltensmuster wie auf dem Höhepunkt der Pandemie: Pragmatismus und Opportunismus überwiegen gegenüber der Angst. Anstelle von massiven Kürzungen setzten die Unternehmen auf Technologie, um ihre Kunden optimal zu bedienen.“).
Beide Analyse-Häuser gehen allerdings von einem stärkeren Fokus auf Optimierung und Resilienz und einem geringeren Fokus auf Kreativität und starkes Wachstum aus („Gartner’s annual global CIO survey, meanwhile, noted that CIOs‘ future technology plans will ‚remain focused on optimization rather than growth.‛“; „Vier von fünf Unternehmen werden bei ihren IT-Ausgaben den Aspekt der Widerstandsfähigkeit oder Resilienz in den Vordergrund rücken. Schon in diesem Jahr hätten die Unternehmen begonnen, den „kreativen“ Teil ihrer Investitionen zurückzufahren und vorsichtiger zu agieren.“). Was die Analyst:innen für meinen Geschmack etwas expliziter machen könnten, sind die Voraussetzungen für Optimierung und Resilienz, nämlich eine moderne IT mit einem hohen Grad an Automatisierung und der Flexibilität einer cloud-artigen Infrastruktur. Wo noch nicht geschehen, sind Investitionen in diese Flexibilität notwendig.
Denn wir können im Rahmen der Energiewende in Deutschland genau beobachten, was geschieht, wenn notwendige Voraussetzungen fehlen. So gehört Deutschland im Umfeld von Smart Metern (intelligenten Messeinrichtungen) eher zu den europäischen Schlusslichtern – Italien und Spanien sind uns hier zum Beispiel um Jahre voraus. Smart Meter sind die Voraussetzung für digitale Echtzeitmessung und damit Stromtarife, die einen stundenaktuellen Preis abbilden und den Verbraucher:innen tiefere Einblicke in das Verbrauchsverhalten liefern. So beruhigt der Bericht über einen Besuch der „Wirtschaftswoche“ beim Leiter des Betriebs der Netze BW Richard Huber insofern, als der Betrieb der Schaltleite offenbar in kompetenten Händen liegt. Erschüttert andererseits aber mit der Aussage, dass von 26.000 Trafostationen bei Netze BW heute gerade einmal 100 digital steuerbar und zugreifbar sind. Auch in der Digitalisierung der Übertragungsnetze gibt es also noch viel zu tun, und auch 2023 wird wohl mehr Digitalisierung und nicht weniger bringen.
„La gente se complica la vida, como si no fuese suficientemente complicada.“ (Die Menschen verkomplizieren sich das Leben, als ob es nicht schon kompliziert genug wäre.) — La Sombra del Viento, Carlos Ruiz Zafón.
Stay healthy, stay hungry, stay foolish.
Herzlichst,
Christian Meder